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PANEL Online, Ausgabe zwei, November 2006

Fünf Jahre LOA und INKplosion

Interview mit Michael Vogt (INKplosion)

Durch (fast immer) pünktliches zweimonatliches Erscheinen hat es INKplosion bis August 2006 auf 30 Exemplare von bis zu 64 Seiten gebracht. Daneben bietet die Webseite Cartoons, Interviews, Tipps (die beide aus Zeitgründen nicht mehr oft aktualisiert werden) und neuerdings ein News-Blog, das auch über den Tellerrand der Aktivitäten von INK-Künstlern hinausblickt. Links zu den Zeichnerseiten und anderen Adressen im Netz sind selbstverständlich. Zusätzlich zu den Magazinen erscheinen Specials einzelner Künstler, die teilweise inzwischen selbst professionell arbeiten, und eigene Hefte aus dem Umfeld des Ink-Studios, wie 2004 das erfolgreiche "Versus" und zuletzt "11x Fußball". Die neueste Erweiterung ist die englische Seite INKplosion.com, in der Einzeltitel auf englisch angeboten werden. Die kontinuierliche Arbeit hat der Redaktion 2004 den ICOM-Independent-Preis für das beste Fanzine eingebracht.

Michael Vogt war zusammen mit Mel Maathuis von Anfang an dabei und ist für die künstlerische Leitung von INKplosion verantwortlich. Für INKplosion hat er u.A. die Reihe "Los 7 Mariachis" geschrieben und gezeichnet. Als Profi hat er für "Gespenstergeschichten" und "Mad" gearbeitet. Er arbeitet als freier Grafik-Designer in Berlin. PANELs Jähling rief ihn an einem gar nicht verhangenen Montagmorgen im September in seinem Büro an. Kann man auch nicht bei jedem machen.


PANEL: Wie kommen Zeichner, die ja durchaus ein Auskommen haben, dazu, eine Plattform wie INKplosion zu gründen?

Vogt: Das war eine Idee, die hier in Berlin geboren ist. Zusammen mit Guido (Neukamm) dachte ich, wir müssten uns mal mit ein paar Zeichnern zusammensetzen. Eigentlich war das nur so eine Art Zeichnerstammtisch. Und wir haben's tatsächlich mal gebacken bekommen, nachdem wir so anderthalb Jahre nur darüber geredet hatten. Das hat so viel Spaß gemacht, dass wir gedacht haben, irgendwie wär's schön, dieses Gefühl - man sitzt gemeinsam da und macht was - dauerhaft zu haben. Die erste Idee war, ein Fanzine zu machen. Aber da macht jeder sein kleines Schwarzweißheft, das liegt in drei Comicläden rum und kein Schwein liest das. Die Idee ging dann sehr schnell in die Richtung, ein Fanzine im Netz zu machen. Also habe ich ein bisschen Recherche betrieben und geguckt, was es online so gibt, und ich habe nichts Vergleichbares gefunden. Nichts, das Magazincharakter hätte und regelmäßig erscheint. Das war auch ein Punkt, der mir ganz wichtig war, dass wir's regelmäßig versuchen. Die Hauptaussage von Verlegern ist immer, dass man deutsche Zeichner nicht dazu bekommt, regelmäßig zu arbeiten. Und das war der Punkt, dem wir doch widersprechen wollten. Wir hatten zum Beispiel ab Ausgabe zwei den Michael Maier mit "Der Träumer" dabei. Der hatte damals fünf oder sechs Seiten fertig, die lagen bei ihm auf dem Server, was weiß ich, ein Jahr oder so, ohne dass er an dem Comic weiter gearbeitet hätte. Er kam dann mit dem Projekt zu uns. Und dadurch, dass da ein Zwang war, rechtzeitig zum Erscheinungstermin zu produzieren, hat er auch wirklich alle zwei Monate was abgeliefert.

PANEL: Ihr wart auch von Anfang an im Comicforum vertreten, oder?

Vogt: Ja. Das Comicforum war eine der Seiten, auf die ich bei der Recherche damals sehr schnell gestoßen bin. Ich hatte mich auch gleich angemeldet und mit ein paar Leuten Kontakt bekommen. Die meisten Zeichner habe ich übers Comicforum kennen gelernt. Karsten Schreurs zum Beispiel, oder zum Teil die Berliner Clique, wie Mana und Alex Gellner, die kannte ich vorher auch nicht. Später hat sich's dann so ergeben, dass viele Leute sich einfach so beworben haben.

PANEL: Du sagst "beworben". Läuft das richtig formal ab, oder meinst Du einfach Einsendungen?

Vogt: Nee, das sind Leute, die Comics schicken und fragen, ob das was für uns wäre. Man kann auch von Einsendungen reden, das ist nicht wertend gemeint.

PANEL: Ich frage, weil Du ja vorhin auch von Professionalisierung gesprochen hast. Zum einen gibt es ja Professionalisierung in dem Sinne, dass man sich selber dazu bringt, professioneller zu sein, zum anderen, in einem professionellen Markt zu landen beziehungsweise auf sich aufmerksam zu machen. Ist das ein wesentlicher Punkt bei INKplosion?

Vogt: Das war eine der Ideen dahinter. Dass wir gesagt haben, wir stellen die Sachen nicht nur für uns zur Schau, oder für Lesepublikum, sondern auch für Verlage. Das gibt den Verlagen die Möglichkeit, Zeichner zu entdecken, und zwar auf einem einzigen Portal, nicht dass ein Verlagsvertreter zehn, vielleicht sogar 100 Webseiten durchgucken muss. Wir sind auch teilweise mit ein oder zwei Sachen direkt zu Verlagen gegangen. So haben zum Beispiel zu Weißblech und zu Schwarzer Turm einen sehr guten Kontakt, Ehapa ist eine sehr schöne Erfolgsgeschichte mit dem Wellenläufer-Album, das der Mana macht, und wo praktisch schon die Ursprungs-INKplosions-Crew dabei ist. "Versus" war mehr oder weniger auch eine Visitenkarte oder ein Übungsprojekt. Alex hat damals sehr schnell sehr viele Comics gemacht, Mana dagegen eher ganz kurze Sachen oder Einzelbilder. Und den beiden halt zu sagen, setzt Euch mal hin, macht doch mal eine Sequenz, macht doch mal was Langes, und das professionell zu verbinden mit einer schönen Koloration und gedruckt und so weiter, das war schon so ein Ding, wo letztlich auch die Zeichner selbst gesehen haben: Ah ja, das können wir! Und dann ging das auch gleich los mit den nächsten Projekten. Wenn man sich Manas Geschichte anguckt: Der hat Versus fertiggemacht, hatte seine Ausbildung durch und hat gleich danach den nächsten Job für Ehapa gemacht, das Berlin-Berlin-Spinoff. Und dann kam gleich Wellenläufer. Das zweite Album ist unterdessen auch fast fertig. Das heißt, seit "Versus" hat Mana jetzt bereits drei Alben gezeichnet.

PANEL: Ihr habt auf der einen Seite Leute, die schon professionell arbeiten, auf der anderen Seite welche, von denen ich persönlich noch nie gehört habe. Ist es schwierig, da die Waage zu halten?

Vogt: Das ergibt sich teilweise einfach aus dem Material, das kommt. Von diesen Bewerbungen, oder Einsendungen, wird natürlich der größte Teil immer noch abgelehnt. Im Allgemeinen ist es halt so, dass ich den Leuten eine relativ detaillierte Kritik gebe und sage, was verbessert werden könnte, wie man sich weiterbilden kann oder so. Und ich sage auch immer: "Schick mir einfach was neues zu, wenn Du wieder was anderes hast". Dass die halt nicht völlig alleine im Flur stehen. Die Idee war zu sagen, was bei uns online reinkommt, müsste eigentlich auch gedruckt werden können. Oder zumindest kurz davor sein. Und das ist der Punkt, wo ich sage, okay Leute, wenn Ihr was schickt, muss ich einen Gestaltungswillen sehen. Ich muss sehen, dass Ihr schon was könnt, und dass zum Beispiel eine verunfallte Anatomie nicht wirklich nur verunfallt aussieht, sondern absichtlich so gestaltet ist. (Auf mein Lachen:) Naja, es gibt halt ganz oft Leute, die können noch nicht so gut zeichnen, also Arme zu kurz und Beine dreimal so lang wie üblich, knicken falsch ab oder so was, und die meinen dann, "ja, das ist eben mein Stil!". Wenn ich aber bei jemandem erkenne, der hat auf fünf Seiten Comic nur zwei kleinere Fehler drin, dann sag ich, "ja klar, komm her. Aber hier die Hand könntest Du vielleicht noch ein bisschen überarbeiten.". Also, ein bisschen Coaching ist da schon noch mit drin.

PANEL: In der Abwägung zwischen Grafik und Story, was ist da wichtiger?

Vogt: Hm, schwierig. Ich gucke natürlich als erstes auf die Grafik. Auch wenn ich einen Comic durchblättere oder so, immer. Ich schaue erstmal drauf, gefällt mir der Stil, ist das was? Wenn ich sofort sehe, dass eben genau diese groben Anatomiefehler drin sind oder so was, dann ist das schon ein Minuspunkt. Ich lese es aber auf jeden Fall an. Wenn ich nach den ersten paar Seiten feststelle, das ist eine 08/15-Agenten- oder Superheldengeschichte, wie man sie schon zehntausendmal gesehen hat, ist das auch ein Minuspunkt. Dann kann aber auch eine Grafik so toll sein wie möglich, eine öde Geschichte kommt nicht rein. Wir hatten auch Einsendungen, die ziemlich sexistisch waren. Wo knapp bekleidete Frauen rumliefen und irgendwelche blöden Dämonen nichts anderes zu tun hatten, als sie vergewaltigen zu wollen. Die Grafik war in Ordnung, aber... das muss nicht sein. Also, das spielt schon beides eine deutliche Rolle.

PANEL: Und wenn die Story sensationell ist, wie weit gehst Du bei der Grafik runter?

Vogt: Wir machen schon Experimente. Zum Beispiel "Van Ghoot". Das ist für mich ein wirkliches grafisches Experiment. Ich finde die Zeichnungen nicht sehr ausgereift. Aber ich fand die Story-Idee interessant und wollte halt sehen, wie sich das noch entwickelt, und auch, wie es bei den Leuten ankommt. Das ist das Schöne, wir drucken ja nicht, es kostet ja nicht viel Geld. Wenn da 50 oder 100 Leser sagen: "höh, was'n jetzt los, ist scheiße", die gucken das nächste Mal trotzdem wieder rein. Bei einem Heft würdest Du vielleicht sagen, das kauf' ich nicht mehr. Insofern kann ich da schon ein bisschen probieren. Aber... nee, bei einer grottenschlechten Grafik, aber einer tollen Geschichte, rate ich demjenigen immer "schreib' nur die Story und such' Dir 'nen Zeichner".

PANEL: Bei der Entenstraße bieten wir auch an, wer keine Story hat, dem können wir eine vermitteln und andersrum. Das Problem ist, es melden sich weit mehr Zeichner als Autoren. Habt Ihr so was auch?

Vogt: Ja. Richtige Autoren haben wir im Prinzip nur zwei, Yann Krehl und Johnny Speer, mit denen wir ab und zu zusammenarbeiten oder wo wir sagen: Hast Du nicht mal 'ne Story für den Zeichner? Die meisten Zeichner denken, dass sie auch selber sehr sehr gute Storys schreiben können. Was nicht unbedingt stimmt. Ein Beispiel wäre "Moritat". Ohne dass ich denen etwas in Abrede stellen will, es macht Spaß, das zu lesen. Es ist aber keine tolle Story. Das ist so ein Ding, wo die Story sich nicht ernst nimmt - zum Glück - und es eigentlich mehr oder weniger ein Augenschmaus ist.

PANEL: Wie siehst Du die Rolle von INKplosion in der Szene? Meinst Du, Ihr könnt da auch was pushen in Richtung von guten Comics?

Vogt: Ja, das war ja auch so eine Grundidee. Dass man Zeichner zum Zusammenarbeiten bringt, gerade auch mit Autoren. Oder eben auch die klassische Einteilung, Bleistift, Tusche, Farbe. Das haben wir in Berlin in einem relativ engen Kreis sehr gut geschafft. Im weiteren Kreis ist es, wie wir festgestellt haben, sehr viel schwieriger. Das klappt mit sehr sehr wenigen Zeichnern, die meisten haben natürlich ihre eigenen Projekte und wollen das alleine durchziehen. Es gibt auch viele Leute, die so ein bisschen ihr Ego pushen wollen mit den eigenen Sachen. Die meinen," ja, eigentlich bin ich doch ein Rockstar!". Das war zum Beispiel auch ein Grund, warum wir angefangen hatten, die Verknüpfung, die wir hier in Berlin eh schon mit den Zeichnern hatten, zu verstärken und das Inkstudio aufzubauen. Das ist ein ganz lockerer Verbund. Wir sitzen nicht in einem Büro zusammen, aber wir haben halt schnell Kontakt, so dass wir versuchen können, Aufträge gemeinsam zu erarbeiten.

PANEL: Das ist also kein elitärer Zirkel, zu dem alle aufblicken oder so was?

Vogt: Keine Ahnung, wie andere Leute darüber denken. Es ist eher so, dass wir sagen, wenn es Projekte gibt, bei denen wir noch Hilfe gebrauchen können, dann haben wir einen Stock an Leuten da, von denen wir schon Arbeiten kennen. Beim letzten Trickvideo hat zum Beispiel Murat Kaya mitgearbeitet. Den kennen wir bereits über INKplosion. Das ist jemand, der, wenn man den mal anpiept: "Ey, wir machen mal wieder was Gedrucktes, hast Du nicht Lust, eine Galerieseite zu machen?" - sofort antwortet: "Ja, klar, schick ich euch." Und dann kommt auch prompt was und dazu noch in einer wunderschönen Qualität. Eine Einladung zu kommerzieller Zusammenarbeit ist dann nicht so was wie eine "Belohnung", aber man sieht eben schon an den nicht-kommerziellen Projekten, wer sich einbindet und auch belastbar ist. Das ist ja kein ganz unwichtiger Punkt bei einer Zusammenarbeit...

PANEL: Das bringt mich zur Frage der Zeichneranbindung, also die Zusammenarbeit mit den Leuten, die Sachen einschicken. Ist da ein reger Kontakt?

Vogt: Das ist auch sehr unterschiedlich. Es gibt halt Leute, die wollen wirklich nur für sich arbeiten. Und die kannst Du halt nur schwierig einbinden. Wenn jemand sagt, "ich will aber wirklich nur mein eigenes Ding machen, ich habe keine Lust, etwas anderes zu kolorieren", bringt es nichts, denjenigen in ein Gemeinschaftsprojekt einzubinden. Sagen wir's so: Diese ganze INKplosions-Geschichte ist ein Experiment. Wir probieren einfach rum. Das ist ein Trial-und-Error-Prozess. Von einem Studio oder studio-ähnlichen Strukturen gabs vor fünf Jahren noch nicht den leisesten Gedanken. Oder dass die Seite sich so stark wandelt... Am Anfang haben wir ganz straight gesagt, wir machen die realistischen Comics. Unterdessen haben wir fast gar keine mehr drin, sondern eher Funnies oder Semi-Funnies oder autobiographische Geschichten wie "Psycho".

PANEL: Mir ist auch aufgefallen, dass jetzt mehr diesseitige Geschichten drin sind und früher mehr Fantasy.

Vogt: Ja, das ist wirklich so. Liegt aber auch an der Szene, dass zum Beispiel autobiographische Comics interessanter geworden sind in den letzten Jahren, und mehr Zeichner sich eben auch dafür interessieren. Beispiel "Psycho": Ich habe das gesehen und dachte, wow, das passt eigentlich überhaupt nicht in unser Konzept, aber ich find's ganz toll. Das musste einfach rein. Und das war auch irgendwie der Opener für alles andere. Bis dahin waren das alles so ernste Wumm-Klang-Comics, und plötzlich Psycho mittendrin. Ich fand es aber auch ganz spannend, aus dem einfachen Grund: Wie kriegst Du einen Superhelden- oder Fantasy-Leser dazu, auch mal so was wie Psycho zu lesen?. Im Comicladen machst Du das doch nicht. Der Typ, der Fantasy-Comics lesen will, geht halt zu den Fantasy-Alben. Die Ecke, wo die Independent-Comics stehen, ist am anderen Ende des Ladens. Da guckt der doch gar nicht hin. Mach' ich ja teilweise selber so. Zum Beispiel mit der Manga-Ecke. Da entgehen mir bestimmt auch ein oder zwei ganz gute Comics. Und ich lass mich teilweise auch bei Independent-Comics von den abstrusen Zeichnungen abschrecken. Aber online kostet es mich ja nichts, da mal reinzugucken.

PANEL: Eine Sache, die mir bei INKplosion aufgefallen ist: Es ist zwar alles online, aber es sieht aus wie ein Heft. Aufrechtes Format und so...

Vogt: Das war eine bewusste Wahl am Anfang: Wir machen ein gedrucktes Heft, aber im Netz. Ich habe selber mal an einem kleinen web- und druckfähigen Comic mitgearbeitet. Da muss man halt auf dieses Halbseitenformat gehen. Beziehungsweise, zwei halbe Seiten ergeben dann für den Druck eine ganze. Das ist schwierig in der Komposition, Du kannst keine Splashpages machen oder so was, das schränkt doch arg ein. Da haben wir gesagt, nee, dann müssen die Leute eben scrollen, oder sie ziehen es sich auf ihren Rechner runter und drucken es aus. Das geht ja auch. Nach und nach sind halt Zeichner darauf gekommen zu sagen, ich möchte aber lieber das Webformat machen. Einfach weil Webcomics in den letzten fünf Jahren generell populärer geworden sind und sich auch dieses Querformat anfing durchzusetzen. Es ist unterdessen ja auch so, dass im Druckformat eine größere Variabilität drin ist. Vor fünf oder sechs Jahren, als wir angefangen haben, gab's im Print halt nur Heft, Manga oder Album. Und jetzt hast Du verschiedene Mittelformate.

PANEL: Wenn jetzt jemand ankommt und einen reinen Webcomic machen möchte, mit animierten Bildern oder so was? Ginge das auch?

Vogt: Ja, natürlich. Wir haben ja schon, zum Beispiel in dem Halloween-Special 2001, mit Flash-Animationen gearbeitet. Oder wir hatten von dem Matthias Seifert den "Kalydonischen Eber", wo wir Text und Bild so präsentiert haben, dass Du umblättern musstest zwischen den beiden. Dazu spielte Musik, die eine besondere Stimmung erzeugte und für den Gesamteindruck sehr wichtig war. Das ist etwas komplett anderes, als wenn Du einen üblichen Comic liest. In der Richtung haben wir aber wenig Projekte vorgeschlagen bekommen.

PANEL: Viele Leute wollen natürlich auch Sachen, die man hinterher drucken kann.

Vogt: Genau. Andererseits ist es auch ein großer Aufwand, so etwas zu programmieren. Da bin ich aber auch sehr vorsichtig, denn vieles, was als Webcomic deklariert wird, ist eigentlich schon ein Trickfilm. Ist auch okay, kann man auch machen, ist aber kein Comic.

PANEL: Auffällig an INKplosion ist auch, dass die Extras lange nicht mehr aktualisiert wurden, etwa die Interviews...

Vogt: Ja, das stimmt. Die meisten Interviews hat Frauke Pfeiffer geführt, aber ihre Zeit wird komplett von Comicgate gefressen. Da fiel dieser Posten mehr oder weniger flach. Ich selber habe zwei oder drei Interviews gemacht, habe aber kaum noch Zeit dafür. Ich würde gerne mal mehr machen, wir hätten auch genügend Zeichner, die man mal interviewen kann. Es ist wirklich eine reine Zeitfrage. Ich sitze halt in einem Job, der geht so acht oder zehn Stunden pro Tag, und ich möchte auch noch ein paar eigene Comicprojekte machen, die kosten mich dann auch noch mal ein bisschen Zeit, irgendwo will ich auch noch ein wenig Privatleben haben, da bleibt halt leider auch etwas auf der Strecke, und das ist dann eben so ein Projekt wie INKplosion. Da kann man auch nicht täglich drei, vier Stunden reinstecken.

PANEL: Wieviel steckst Du überhaupt rein?

Vogt: Ich mache keine Strichliste, aber ich denke mal, pro Tag geht da schon eine Stunde drauf. Mal mehr, mal weniger. So eine neue Ausgabe zusammenzuschustern kostet mich zwei Tage oder drei, je nachdem wie dick die ist - das ist ja auch so eine Sache: Die Ausgaben sind ja sehr viel dicker geworden. Wir hatten am Anfang mal als Mindestmaß 28 Seiten. Und wenn halt eine Ausgabe mal 34 oder 36 Seiten hatte, dann war das schon: "Whoa! Haben wir viel Material, hallo!" Und jetzt gibt es halt Ausgaben, die regelmäßig über 40 Seiten haben, teilweise sogar bis 64 Seiten. Da sitzt man schon eine Weile dran. Alleine das Überprüfen, funktionieren alle Links nach vorne und nach hinten, sitzen die Bilder richtig drin - puh.

PANEL: Ihr erscheint pünktlich alle zwei Monate?

Vogt: Bis auf ein, zwei Ausnahmen, ja. Es gab zum Beispiel mal eine Ausgabe, wo die Zeichnerin das Cover einfach nicht geschafft hat. Und dann bin ich halt eingesprungen und habe schnell ein Cover gezeichnet, aber das habe ich auch nicht mehr pünktlich geschafft. Also kam die Ausgabe ein paar Tage später. Aber wir versuchen schon, das nicht zur Regel werden zu lassen. Es gab zwischendurch eine Zeit, wo wir überlegt haben, ob wir das Magazin dreimonatlich machen, weil die Zeichner alle so unpünktlich waren und wenig Material kam. Und es gab dagegen Zeiten, wo wir's fast schon monatlich machen wollten, weil wir so viel Zeug hatten.

PANEL: Wie siehst Du den Comicmarkt oder die Comicszene in Deutschland zur Zeit?

Vogt: Also... Ich finde, dass unterdessen mehr passiert als noch vor zehn Jahren. Wir haben viel mehr Zeichner und Autoren, viel mehr Publikationen. Wenn man sich anguckt, was von Flix oder Mawil kommt, oder das Programm, das der Schwarze Turm so fährt, das sind Sachen, die wären vor zehn Jahren in der Form einfach nicht drin gewesen. Das ist eine ganz große Chance für viele junge Zeichner und Zeichnerinnen, ins Geschäft zu kommen. Wenn ich mir angucke, was bei den Mangaleuten los ist, wie viele deutsche Zeichner da jetzt mitmischen, und das eben nicht nur bei Tokyopop oder Carlsen, sondern auch beim Schwarzen Turm mit seinem neuen Projekt. Welche Chancen da drin sind, das hätte ich mir vor 20 Jahren gewünscht. Das einzige, wo man damals landen konnte, war "Gespenstergeschichten". Da waren halt mehrere deutsche Zeichner dabei, die was machen konnten. Das war nicht mal schlecht bezahlt, da hat man etwa 100, 140 Mark für eine Schwarzweißseite bekommen. Das war klasse, für Geld üben. Und das ist halt eine Sache, die vor fünf Jahren auch noch gefehlt hat, eben so eine Plattform, dass die Leute ein bisschen üben können. Eben auch solche Sachen wie jetzt Schwarzer Turm mit seinen Anthologie-Sachen, z. B. Panik Elektro - das war vor ein paar Jahren auch noch nicht in Sicht. Was ich vermisse, ist noch so eine Art allgemeines Marketing. Dass man nicht nur autobiografische Comics oder Titel wie Persepolis oder so was in die Feuilletons, die Presse oder in die Köpfe der Leute bekommt, sondern wirklich das breite Spektrum aller Comics.

PANEL: Das mit dem "durch Veröffentlichen üben", könnt Ihr euch das überhaupt noch leisten? Kommt man da, wenn man noch üben muss, überhaupt noch ran bei euch?

Vogt: Wir haben für "Grenzfälle" ein Mini-Label eingeführt, den Inkling: Wenn wir Zeichner haben, bei denen wir der Meinung sind, die erfüllen noch nicht ganz unsere Kriterien, wir möchten die aber fördern und schon mal einen kleinen Pusher geben und sagen: "Guckt mal, Leute, der ist an der Schwelle", dann erhält derjenige das "Inkling-Etikett". Das "Veröffentlichen und üben" fällt genau in diesen Schritt rein. Wobei letztlich jeder durch eine Veröffentlichung weiter übt, auch die Semi-Profis und Profis.

PANEL: Was müssen neue Zeichner mitbringen, um bei euch zu landen? Worauf müßte jemand achten, der euch was schickt?

Vogt: Eine vernünftige Geschichte und vernünftige Zeichnungen. Keine rassistischen oder sexistischen, menschenverachtenden Blablabla-Geschichten, das fällt sofort durch das Raster. Aber ansonsten sind wir thematisch für alles offen.

PANEL: Wer entscheidet das überhaupt außer Dir? Als Gründer seid Du und Mel Maathuis genannt, wer noch?

Vogt: Im großen und ganzen wird das komplett von mir getragen. Mel springt ein, wenn es um so was wie Messeorganisation oder Druckproduktion geht. "Künstlerische Leitung", könnte man's nennen, das mache ich. Bei vielen Sachen hilft dann auch die Berliner Truppe mit oder gibt eben auch ihre Meinung zum besten, wenn ich mal im Zweifel bin.

PANEL: Dann habe ich eigentlich nur noch einen Bereich, worüber ich sprechen wollte: INKplosion.com. Wenn ich das richtig überblicke, ist das nicht das Magazin, sondern Einzelpublikationen, Specials. Wie genau ist die Ausrichtung?

Vogt: Das ist wirklich für den internationalen Markt. Wir wollen halt, das, was wir auch in Deutschland gemacht haben, Zeichner bekannter zu machen und ein Fanpublikum aufzubauen, versuchen, auf dem englischsprachigen Markt zu übertragen. Praktisch einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das ist noch in der Anfangsphase, es ist natürlich auch ein ganz, ganz anderer Markt, der ist sehr viel größer und deutlich stärker überlaufen. Wenn man Comics verkaufen will, ist der deutsche Markt tatsächlich sehr klein. Die beste Möglichkeit ist, über den Tellerrand zu schauen, ob man die Stoffe, die man hat, auch anderweitig anbringen kann, also in Lizenz oder in direkter Produktion. Mit "11x Fußball" ist ja unterdessen auch unser erster - sogar gedruckter - Comic im Ausland erschienen. Es gibt da so eine goldene Regel: Ab dem dritten oder vierten Lizenzverkauf fängt man an, von Comics zu leben.

PANEL: Habt Ihr viele internationale Leser auf INKplosion.com?

Vogt: Ich habe die aktuellen Zahlen jetzt nicht da. In den ersten paar Monaten hatten wir so um die 600 Zugriffe pro Woche, das hat sich dann gesteigert auf 800-1000. Es ist eine ähnliche Geschichte wie damals bei INKplosion.de. Das hat auch klein angefangen und steigerte sich dann halt. Das geht auch jetzt noch immer weiter: Der Spitzenmonat war, glaub' ich, der März 2006, da hatten wir pro Woche über 5000 Zugriffe. Aber wie gesagt, das ist ein Spitzenmonat. Generell sind diese Zahlen auch immer mit Vorsicht zu genießen. Viele Besucher, das sieht man bei der Log-Auswertung, kommen über Bildersuche dahin, das ist bei allen bildlastigen Webseiten ähnlich. Das muss man bei Zahlenprotzereien immer im Hinterkopf haben.

PANEL: Okay, meine letzte Frage. Ihr werdet jetzt fünf Jahre alt, habt Ihr was für das Jubiläum vor?

Vogt: Öhm... nö. Also, wir haben jetzt für die Ausgabe im Oktober nichts besonderes geplant. Fehlt mir im Moment, ehrlich gesagt, auch die Zeit, da was ganz besonderes zu machen. Das einzige, was wir generell vorhaben in nächster Zeit: Es gibt wieder mehr Specials, die wir machen wollen. Da wird's auch wieder themengebundene Ausgaben wie unser "Halloween-Special" Ende Oktober geben. Und dann schauen wir halt mal.


Fünf Jahre LOA & INKplosion:
Interview mit Daniel Gramsch (LOA)

PANEL Online, Ausgabe zwei, November 2006
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