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Fressen und gefressen werden

"Mister I"s aberwitzige Abenteuer von Lewis Trondheim

Früher, als die Menschen Hunger hatten, sind die Männer ausgezogen, um Mammuts für ihre Horde daheim in der Höhle zu jagen. Das war natürlich sehr gefährlich. Die Frauen haben sich derweil im Gebüsch herumgetrieben. Ebenfalls auf der Suche nach Eßbarem, was nicht minder gefährlich war, saßen in den Hecken doch Säbelzahntiger und Bären zwischen den Beeren. Kurz gesagt: Die Essensbeschaffung war eng mit extremen Streß und oft tödlich endenden Konfrontationen verbunden.

Zum Glück ist das heute anders. Säbelzahntiger findet man schon lange nicht mehr in unseren Supermärkten. An dieser Stelle geht unser Dank an die Herrschaften von der Lebensmittelindustrie. Gammelfleisch und B.S.E. sind zwar eine eklige Sache, aber ich persönlich kenne niemanden, der daran gestorben wäre. Ist die gefahrenlose Nahrungsaufnahme für den Menschen von heute somit gewährleistet? Können wir unsere nunmehr freigewordenen Energie endlich dazu einsetzen, Krebs zu heilen und den Weltfrieden zu schaffen?

„Mais non! - Aber nein!“, so behauptet es der Franzose Lewis Trondheim, seines Zeichens Lebensmittelexperte und Comicschaffender. In seinem Comicalbum „Mister I“ zeigt er uns anhand von 30 farbigen Bildtafeln die nicht enden wollende Jagd eines Mannes unserer Zeit nach Nahrung. Mister I wird er genannt und seine alltägliche Hatz nach Eßbarem ist angefüllt mit allerhand Komik, Absurdem, Tragik und Tod. Ein Stück Kuchen führt ebenso in die persönliche Apokalypse, wie eine rote Frucht an einem grünen Busch. Seine Begierde stellt sich bald als der wahre Feind heraus. Dazu kommt die nicht enden wollende Uneinsicht, dem Verlangen Einhalt zu gebieten. Und wir, die Leser, dürfen live dabei sein. Wie in einem kleinen Trickfilm verfolgen wir die emsigen Bemühungen des Mister I, leiden mit und lachen über ihn. Das amüsiert enorm und macht zugleich betroffen. Elementare Unterhaltung à la Trondheim also. Einige werden sich erinnern: Lewis Trondheim hatte schon einmal einen ähnlichen Band mit dem Titel „Mister O“ gemacht, der ebenfalls bei Reprodukt erschienen ist. Hier ging es in allen Geschichten darum, einen Abgrund zu überqueren.

Graphisch gibt sich der Meister äußerst reduziert. Seine kleinen Strichmännchen scheinen auf dem ersten Blick wie hingeschmiert, doch wenn man es näher betrachtet, erkennt man, das jeder Strich 100%ig sitzt. Gerade die Mimik in den kleinen Gesichtern; die gesamte Körpersprache sind beeindruckend umgesetzt. Ebenso meisterlich: Die kleinen Episoden kommen gänzlich ohne Sprache aus. Die farbigen Bildtafeln à 60 Bildern funktionieren fast wie ein Daumenkino. Durch die enge Aneinanderreihung der Panels entsteht eine vergnüglicher Lesefluß, der - anders bei einem normalen Film - auch einen schnellen Blick zurück zuläßt. Mit „Mister I“ lotet das Kulturphänomen Trondheim das Medium Comic weiter gekonnt aus und zaubert mal wieder, dass einem die Ohren, bzw. Augen schlackern.

ak


Lewis Trondheim

Mister I

Reprodukt, 36 Seiten, Softcoveralbum, farbig, EUR 8,-

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